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2022

1. Preis


Mit dem ersten Preis wurden Frau Larissa Blatter, Bildungsverantwortliche / Stv. Leiterin Betreuung und Pflege und Frau Gabriela Hofstetter, Pflegefachfrau HF vom Alterszentrum Ins für die Arbeit

«Cannabis in der Langzeitpflege, eine Projektstudie des Alterszentrums Ins»

ausgezeichnet.

ABSTRACT

Ausgangslage: Die vorliegende Projektstudie soll die Wirkung von Cannabis in der Langzeitpflege untersuchen. Pflegende beobachten immer wieder, dass Bewohnerinnen und Bewohner des Alterszentrums aufgrund ihrer Erkrankungen einer Polymedikation ausgesetzt sind. Interaktionen zwischen den einzelnen Wirkstoffen, altersbedingt veränderte physiologische Bedingungen bei der Absorption und der Elimination sowie direkte pharmakologische Wirkungen führen zu einer Zunahme von unerwünschten Nebeneffekten durch die Multimedikation.
Fragestellung: Können durch die Gabe von Cannabis-Öl (THC:CBD, 1:1) die Polymedikation bei Bewohnenden herabgesetzt, die vorhandenen Symptome effektiver vermindert und damit die Lebensqualität der teilnehmenden Personen verbessert werden?
Methode: Im Rahmen einer Projektstudie wurden den teilnehmenden Personen von November 2020 bis April 2021 durch eine Pflegefachperson dreimal pro Tag ein paar Tropfen Cannabis-Öl mittels Pipette direkt unter die Zunge geträufelt. Die Auswertungsmethodik fand mit folgenden Instrumenten statt: Neuropsychiatric Inventory (NPI), Cohen-Mansfield Agitation Inventory (CMAI), Beurteilung von Schmerzen bei an Demenz erkrankten Menschen (BESD) und Ashworth-Skala.
Ergebnisse: Als ein entscheidendes Resultat dieser Projektstudie ist festzuhalten, dass die durch das Pflegefachpersonal beobachteten Auswirkungen von Cannabis bei Bewohnenden erstaunlich positiv sind. Die Verabreichung von Medikamenten wie Antidepressiva oder Opiaten konnte reduziert oder sogar ganz durch Cannabis-Öl ersetzt werden. So sind bei einem Teil der Bewohnenden Probleme mit Nebenwirkungen von starken konventionellen Arzneimitteln ganz weggefallen. Ihre Lebensqualität hat sich dadurch erheblich verbessert.
Schlussfolgerung: Indem die Pflegefachpersonen die Cannabis-Therapie bei Bewohnenden anwenden, können Symptome vermindert und damit das Wohlbefinden der Personen gesteigert werden.

(Literaturangaben sind bei der Autorin zu beziehen)

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LAUDATIO

Wirkung:

Frau Blatter und Frau Hofstetter gelang es mit ihrem mutigen und innovativen Projekt, das noch immer umstrittene und von Ängsten belastete, medizinische Cannabis bei der Behandlung von Menschen in der Langzeitpflege unter strengen Vorlagen einzusetzen und dessen lindernde und die Lebensqualität verbessernde Wirkung aufzuzeigen. Bewohnende des Alterszentrums Ins im Alter zwischen 79 und 91 Jahren nahmen am Projekt teil.
Damit dieses Projekt gelingen konnte, brauchte es ein Leitbild der Pflegeinstitution, welche eine Weiterentwicklung von Pflege und Betreuung zulässt, einen für diese Thematik offenen Heimleiter, den Stiftungsrat, das Team der Pflegenden, die Heimärztin und Angehörige, welche das Projekt voll und ganz unterstützten. Anfänglich musste bei einigen Beteiligten, welche eine gewisse Zurückhaltung und Unsicherheit verspürten, Überzeugungsarbeit geleistet werden für dieses heikle Thema.
Da Cannabis nach wie vor dem Betäubungsmittelgesetz untersteht, brauchte es eine Ausnahmebewilligung des BAGs, die Heimärztin, welche die Spezialrezepte ausstellte, einen Produzenten für den Pflanzenanbau und eine Apotheke, die das Cannabisöl liefern konnte.
Nach Diskussionen mit allen an der Pflege und Betreuung beteiligten Personen formulierten die Autorinnen die Fragestellung zum Projekt wie folgt:
„Können durch die Gabe von Cannabis-Öl (THC:CBD, 1:1) die Polymedikation bei Bewohnenden herabgesetzt, die vorhandenen Symptome effektiver gelindert und damit auch die Lebensqualität der teilnehmenden Personen gesteigert werden?“
Die Projektarbeit ist professionell und unter Berücksichtigung ethischer Richtlinien verfasst. Die Informationen für die Teilnehmenden (inklusive Einwilligungserklärungen), Art der Verabreichung und Dosierung des Cannabisöls, Akzeptanz der Bewohnenden bezüglich der Verabreichungsart, das Studiendesign, die Auswertungsmethodik sowie der Aufwand, die Finanzierung und die Bewilligungen sind sehr umfassend, vollständig und korrekt beschrieben.
Die Beobachtungsberichte und Resultate zeigen in eindrücklicher Weise, dass die Wirkung des Cannabis- öls sowohl bezüglich der Polymedikation (Dosisreduktionen von Dauermedikamenten) als auch bezüglich der Lebensqualität (niedrigere Anspannung, Schmerzlinderung und psychische Aufhellung) sehr positiv und vielversprechend zu bewerten ist. Die Autorinnen weisen zurecht darauf hin, dass aufgrund der geringen Anzahl Probanden keine wissenschaftlich fundierten Aussagen zum Nutzen der Behandlungsmethode gemacht werden können.

Beurteilung:
Die eingereichte Arbeit entspricht den vorgegebenen Kriterien der Stiftung bezüglich Inhalt, fachlicher und formaler Umsetzung, ethischen Grundsätzen und Innovation in hohem Masse. Mit grosser Sorgfalt werden erste Resultate nachvollziehbar dargestellt und bewertet. Zurzeit fehlen noch evidenzbasierte Resultate. Der Stiftungsrat möchte Frau Blatter und Frau Hofstetter aber dazu ermutigen, diese Arbeit weiterzuentwickeln, weil der Einsatz von Cannabisöl in der Pflege aus seiner Sicht zukunftsweisend ist und bald auch in anderen Institutionen zum Einsatz kommen sollte.

Frau Caterina Riva, Präsidentin der Stiftung



2. Preis


Mit dem zweiten Preis wurden Frau Flurina Casanova1, MScN, RN, Frau Agnes Kocher2, Dr. sc. med., RN, Frau Elisabeth Spichiger2, Dr. habil, PhD, RN, Herr Andreas Zimmermann1, Dr. med., Frau Cathérine Léchot Röthlisberger1, Leitung Sekretariat, Frau Anita Mülhaupt1, RN, Frau Prisca Eser1, PD Dr. rer. nat., Herr Matthias Wilhelm1, Prof. Dr. med. am Inselspital Bern (1Präventive Kardiologie & Sportmedizin, Universitätsklinik für Kardiologie, Medizinbereich Herz Gefäss, Insel Gruppe, 2Bereich klinische Praxisentwicklung, Direktion Pflege, Insel Gruppe) für die Arbeit

«Aufbau eines Advanced Nursing Practice Angebots für Patient:innen mit einer koronaren Herzkrankheit während der (digitalen) kardiovaskulären Rehabilitation»

ausgezeichnet.

ABSTRACT

Weltweit wie auch in der Schweiz sind Herzkreislauferkrankungen die häufigste Todesur-sache. Dabei zählt die koronare Herzkrankheit (KHK) zu den häufigsten chronischen Erkrankungen des Herzkreislaufsystems. Ursächlich sind meist langjährige, atherosklerotische Veränderungen der Herzkranzgefässe, welche durch Risikofaktoren begünstigt werden, die häufig lebensstilabhängig sind. Die Kontrolle dieser kardiovaskulären Risikofaktoren durch Lebensstilanpassungen und leitliniengerechte medikamentöse Therapie ist notwendig, um das Voranschreiten der KHK zu verhindern. Kardiovaskuläre Rehabilitationsprogramme stellen eine interprofessionelle Intervention dar, welche verschiedene Gesundheitsdienstleistungen beinhaltet. Allerdings profitieren Patientinnen und Patienten mit bekannter KHK noch viel zu selten von wirkungsvollen sekundärpräventiven Massnahmen und einer strukturierten ambulanten Rehabilitation nach einem kardialen Ereignis. Um die Teilnahme zu erhöhen und die Personenzentriertheit zu fördern, sind neue Versorgungsmodelle notwendig. Die Telemedizin/eHealth bietet Möglichkeiten dazu. Unter diesem Begriff werden alle digitalen Gesundheitsdienste zusammengefasst. Mittels Telerehabilitationsprogrammen sollen Barrieren für die Teilnahme an zentrumsbasierten Rehabilitationsprogrammen entgegengewirkt werden. Am Zentrum für Präventive Kardiologie & Sportmedizin des Medizinbereichs Herz Gefäss am Inselspital Bern wird ein 12-wöchiges ambulantes kardiovaskuläres Rehabilitationsprogramm angeboten. Im Sinne eines neuen Versorgungsansatzes wird zusätzlich auch eine hybride oder gesamt heimbasierte Rehabilitation mit digitaler Unterstützung ermöglicht. Bisher fehlte die Pflege als Berufsgruppe im Rehabilitationsprogramm und es fehlte an strukturierten Edukationsmassnahmen sowie eine koordinierende Ansprechperson für die Patient:innen während der kardiovaskulären ambulanten Rehabilitation blieb aus. Als Projekt und Entwicklung eines Advanced Nursing Practice (ANP) Angebots sollte der Ausbau dieses neuen digitalen Versorgungsmodells und die Verbesserung der Kontinuität in der Betreuung für diese Patientengruppe durch die Pflege angestrebt werden. F. Casanova hat als Nurse Practitioner (NP) am 01.10.2020 die Stelle in der ambulanten kardiovaskulären Rehabilitation angetreten und war seit Beginn klinisch in der Praxis tätig. Es wurde zeitgleich ein Projektantrag für eine interprofessionelle Projektarbeit erstellt, welcher im August 2021 genehmigt wurde. In der interprofessionellen Projektarbeit wurden neue Aufgabenbereiche für das ANP-Angebot definiert. Dabei zählten als wichtigste Tätigkeitsbereiche die Einführung eines Herz-Rehatelefons für Patient:innen und Angehörige, die Erstellung eines Leitfadens zur Erfassung der Gesundheitskompetenz und zur Unterstützung im Selbstmanagement, die Übernahme von ärztlich delegierten Untersuchungen, die Durchführung von Edukationsberatungen und –workshops, die Koordination von interprofessionellen Gesundheitsdienstleistungen sowie telemedizinische Konsultationen und Monitoring über eine digitale Gesundheitsplattform dazu. Nach einer viermonatigen Pilotphase konnte das Projekt per Ende Mai 2022 termingerecht abgeschlossen werden. Erfreulicherweise wurde das Projekt in den Normalbetrieb überführt und wird ab Januar 2023 mit personellen Ressourcen ausgeweitet. Als kosteneffizientes, innovatives und qualitativ hochstehendes Versorgungsmodell trägt die Entwicklung dieses ANP-Angebots zur Steigerung der Betreuungsqualität bei.

(Literaturangaben sind bei der Autorin zu beziehen)

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LAUDATIO

Wirkung:
Die Autorschaft beschreibt die koronare Herzkrankheit (KHK) als eine der häufigsten chronischen Erkrankungen des Herzkreislaufsystems. Die Kontrolle von kardiovaskulären Risikofaktoren sowie Lebensstilanpassungen sind nötig, um das Voranschreiten der KHK zu verhindern. Entsprechende ambulante, heimbasierte, digitale oder kombinierte Rehabilitationsprogramme stehen zur Verfügung, auch am Zentrum für Präventive Kardiologie der Universitätsklinik für Kardiologie im Medizinbereich Herz Gefäss der Insel Gruppe. Dennoch sei besorgniserregend, dass betroffene Patientinnen und Patienten noch viel zu selten von wirkungsvollen präventiven Massnahmen und einer strukturierten ambulanten Rehabilitation profitierten. Flurina Casanova führte deshalb eine Situationsanalyse durch und stellte Versorgungslücken und Verbesserungspotential bei folgenden Themen fest: Behandlungskontinuität und -koordination, Edukation und Gesundheitskompetenz, Telerehabilitation als Versorgungsmodell, Betreuung von Angehörigen, Schnittstellenmanagement.
Diese Analyse führte zum Entscheid, ein Advanced Nursing Practice (ANP) - Angebot aufzubauen mit der Zielsetzung, eine Verbesserung der Kontinuität in der Betreuung dieser Patientengruppe zu erreichen. Das pflegegeleitete Angebot konnte Ende Mai 2022 in den Normalbetrieb überführt werden.
Diese Arbeit beschreibt die fachlichen Hintergründe, die Analyseresultate, die Projektarbeit sowie die Resultate. Die ersten Erfahrungen mit dem neuen Angebot werden beschrieben und kritisch gewürdigt. Die neue Sprechstunde kann einen wesentlichen Beitrag zur Rehabilitation der Zielgruppe leisten, und die Patientenrückmeldungen zeigen eine hohe Zufriedenheit mit dem Angebot und der Arbeit der Nurse Practitioner. Eine Ausweitung des Angebots ist in Planung, und es wird erwähnt, welche weiteren Patientengruppen von einem solchen Angebot profitieren könnten.

Beurteilung:
Die Arbeit entspricht den vorgegebenen inhaltlichen, fachlichen und redaktionellen Kriterien der Stiftung sehr gut.
Die Autorschaft zeigt beispielhaft, was die Aufgabe der Advanced Nursing Practice ist, wie diese gestaltet werden kann, welche Bedingungen geschaffen werden müssen, damit die Aufgabe erfüllt werden kann, und welch‘ entscheidende Rolle der ANP bei der Weiterentwicklung und Umsetzung des beschriebenen Rehabilitationsprogrammes zukommt.
Sie vermeidet die häufige Fehlinterpretation, wonach ANP eigentlich die Ärzteschaft entlasten solle, und belegt vielmehr die Möglichkeiten und den Nutzen des eigenständigen, professionellen Beitrags der ANP in einem interprofessionellen Team.

Frau Henriette Schmid, Mitglied des Stiftungsrates