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2019

1. Preis


Mit dem ersten Preis wurde Frau Eva Tola, Lehrperson am Berner Bildungszentrum Pflege für die Arbeit

"Systematische Inklusion von Menschen mit Krankheits- und Genesungserfahrung in die Weiterbildung"

ausgezeichnet.

ABSTRACT

"Versicherte und Patientinnen, Patienten stärken" lautet eines von zwölf Strategiezielen, welches der Bundesrat mit dem "Gesundheitsbericht 2020" verabschiedet hat (Bundesamt für Gesundheit, 2013). Darin wird unter anderem festgehalten, dass Patientinnen und Patienten als vollwertige, gleichberechtigte und selbstbestimmte Partner in der Beziehung zu Gesundheitsfachpersonen behandelt werden sollen. Diese Forderung entspricht aktuellen Bestrebungen, das vorherrschende paternalistische Verständnis einer Beziehung zwischen Patientin, Patient und Fachperson durch ein partizipatives Verständnis zu ersetzen (u.a. durch Selbstmanagementförderung, Shared Decision Making, Empowerment, Förderung der Gesundheitskompetenz).
Explizit bei Menschen mit Langzeiterkrankungen sollen nicht nur die vorgeschriebenen Behandlungen und die damit verbundenen objektivierbaren medizinischen und/oder psychiatrischen Befunde im Vordergrund stehen. Vielmehr soll ein breiteres Verständnis von Gesundheit und Krankheit vermittelt werden, welches die subjektive Wahrnehmung Betroffener und deren Erleben ihrer Beeinträchtigungen im Alltag ins Zentrum rückt. Hierbei ist es zentral, dass das subjektive Erfahrungswissen der Patientinnen und Patienten dem Fachwissen nicht untergeordnet wird. Die Pflegenden könnten, mit ihrer langen Tradition der Hilfe zur Selbsthilfe und gut beschriebenen Pflegemodellen zu personenzentrierter Betreuung, hierbei eine Vorreiterrolle einnehmen.
Auch die Bildungsinstitutionen stehen hier klar in der Verantwortung, in Schulungen von Fachpersonen Wege zu finden, das Erfahrungswissen dem Fachwissen qualitativ ebenbürtig zu vermitteln. Eine in der psychiatrischen Praxis effiziente Intervention zur Förderung dieser Selbstbestimmung und Partizipation ist der Einbezug von Menschen mit persönlicher Krankheits- und Genesungserfahrung auf verschiedenen Systemebenen der Versorgung (Slade M. et al, 2014 & SAMW, 2016). Reflektiert umgesetzt ist eine solche partizipative Inklusion auch in Schulungen von Gesundheitsfachpersonen eine sinnvolle und pädagogisch begründbare Form der Vermittlung von Krankheits- und Genesungserfahrungswissen, welches wiederum eine personenzentrierte Haltung aller Beteiligten fördern kann (Tola, 2018).
Rosenbrock und Hartung (2012) halten in ihrem Handbuch zur Partizipation und Gesundheit richtigerweise fest, dass es bei der Form der Partizipation pauschal kein Richtig und Falsch oder einen Goldstandard gibt. Somit muss auch in der Bildung die geeignete Partizipationsform heruntergebrochen auf die individuelle Lern- und Lehrsituation gewählt werden. Der Grad der Partizipation wird beeinflusst durch die Lerninhalte und -ziele. Die Partizipationsart wiederum bestimmt, was für ein persönliches Profil die Person mit Krankheits- und Genesungserfahrung haben soll (z.B. pädagogisch/didaktisches Know-how) und wie deren adäquate Anstellungsbedingungen aussehen müssen. In der vorliegenden, prämierten Arbeit wird ein hierfür entwickeltes und auch erfolgreich angewandtes Stufenmodell der partizipativen Zusammenarbeit für Lehrpersonen vorgestellt. Dieses Stufenmodell dient als Orientierungshilfe für alle Beteiligten. Es gibt ihnen die Möglichkeit, ihre Form der Zusammenarbeit zu benennen, eventuell auch auszuhandeln, zu planen und zu evaluieren, sich aber auch gegen kontraproduktive Arten des Einbezuges beispielsweise im Sinne einer Instrumentalisierung zu wehren.

Eva Tola, Bern, November 2019 - eva.tola@bzpflege.ch

(Das Literaturverzeichnis und Informationen zum Stufenmodell können bei der Autorin bezogen werden)

LAUDATIO

Wirkung:

Die Autorin beschreibt die Umsetzung einer systematischen Inklusion (Miteinbezogensein / gleichberechtigte Teilhabe an etwas) von Menschen mit persönlicher Krankheits- und Genesungserfahrung (auch Patientenexpertinnen / -experten genannt) in Weiterbildungsangebote des Berner Bildungszentrums Pflege zum Thema "Psychische Gesundheit", namentlich im Nachdiplomkurs "Psychiatrische Pflege und Betreuung" sowie in ausgewählten themenspezifischen Fachseminaren. Sie befasst sich im Wesentlichen mit der Zusammenarbeit zwischen Lehrpersonen einer Bildungsinstitution und Personen mit persönlicher Krankheits- und Genesungserfahrung, welche in der Bildung tätig sind. Für die Umsetzung ihrer Idee hat die Autorin auf bestehende Modelle (vor allem Stufenmodell Cornwall 2008) zurückgegriffen und diese an die Bedürfnisse der Ausbildung in der psychiatrischen Pflege angepasst.
Als Schlussfolgerung hält die Autorin fest, dass die Personenzentrierte Pflege eine Haltungsänderung der Fachpersonen bedingt, die sich vom paternalistischen Betreuungsverständnis löst. Die partizipative Inklusion von Personen mit persönlicher Krankheits- und Genesungserfahrung in Schulungen fördert und/oder vertieft diese Haltungsänderung. Dabei soll die Partizipation umsichtig, zielgerichtet und reflektiert gestaltet werden. Künftig ist eine Partizipation von Personen mit persönlichem Krankheits- und Genesungserfahrungswissen auch in der Qualitätssicherung (z.B. Korrektur von Lehrmaterial) und der Gesamtkonzeption von Bildungsangeboten erstrebenswert.

Beurteilung:
Die eingereichte Arbeit von Frau Eva Tola entspricht den Kriterien der Stiftung sehr gut und ist sehr sorgfältig geschrieben. Sie zeigt differenziert auf, was unter systematischer Inklusion von Menschen mit Krankheits- und Genesungserfahrung in die Weiterbildung zu verstehen ist und welche wichtige Bedeutung ihr zukommt.
Die Arbeit besticht durch ihre Relevanz und ihre Praxisorientierung für die Bildung. Eine systematische Evaluation zur Implementierung der Arbeit von Lehrpersonen mit persönlichem Krankheits- und Genesungserfahrungswissen konnte aus nachvollziehbaren Gründen noch nicht durchgeführt werden; zurzeit fehlen noch evidenzbasierte Resultate. Die gemachten Erfahrungen sind jedoch vielversprechend und sollten unbedingt weiterverfolgt werden.



2. Preis


Mit dem zweiten Preis wurde Frau Barbara Treuthardt, dipl. Expertin in Intensivpflege NDS HF IP am Inselspital Bern, Universitätsklinik für Intensivmedizin, für die Arbeit

"Ambulante Sprechstunde für Patienten und Patientinnen mit einem verlängerten Aufenthalt auf der Intensivstation (ICU)"

ausgezeichnet.

ABSTRACT

Der Aufenthalt auf einer ICU (Intensivstation) ist für viele Betroffene und ihre Familien ein traumatisches Erlebnis und kann schwerwiegende Langzeitfolgen nach sich ziehen. Anhaltende körperliche, kognitive oder psychopathologischen Einschränkungen werden mit dem Begriff Post-Intensive Care Syndrome, kurz PICS zusammengefasst (Druml & Valentin, 2016)1. Ehemalige ICU-Patient/-innen mit PICS leiden oft jahrelang unter einer oder mehreren dieser Einschränkungen (Marra et al., 2018; Bienvenu et al., 2018). Seit dem Oktober 2018 bietet die Universitätsklinik für Intensivmedizin am Inselspital Bern den ehemaligen Patienten/-innen mit verlängertem ICU Aufenthalt eine ambulante Sprechstunde an. Das Ziel dieser personenzentrierten Massnahme ist die längerfristige Verbesserung der Lebensqualität. Die Sprechstunde wurde in eine bereits seit Juli 2016 laufende Outcome-Erfassung integriert (Abbildung 1).

Abbildung 1: Outcome-Erfassung und ambulante Sprechstunde
Abbildung 1: Outcome-Erfassung und ambulante Sprechstunde

Organisiert und geleitet wird die Sprechstunde durch eine Pflegefachperson HF NDS IP, die Durchführung ist interprofessionell so ist zusätzlich ein Oberarzt der Intensivmedizin anwesend. Es werden aktuelle Bedürfnisse zur Aufarbeitung des ICU-Aufenthalts wie auch zur Nachbehandlung der Betroffenen und ihrer Angehörigen aufgenommen und besprochen. Der Abschluss der Sprechstunde erfolgt in Form eines zusammenfassenden Berichts mit Empfehlungen an den Hausarzt. Folgende Inhalte werden während 60 Minuten thematisiert:

Die positiven Erfahrungen und Rückmeldungen der Betroffenen während und nach der Sprechstunde bestärken uns in der Annahme, dass diese Massnahme ein wirksamer Ansatz für die Behandlung des PICS sein kann. Gerne würden wir ein breiteres Angebot an Information bereitstellen, einerseits für die frühzeitige Information der Patienten und Patientinnen sowie ihren Angehörigen zum Thema PICS. Andererseits ist eine enge Zusammenarbeit mit den Hausärzten für die Nachbetreuung dieser Patient /-innen wünschenswert.

(Literaturangaben sind bei der Autorin zu beziehen)

LAUDATIO

Wirkung:
Der Aufenthalt auf einer Intensivstation ist für viele Patientinnen, Patienten und/oder Angehörige ein traumatisches Erlebnis, welches schwerwiegende Langzeitfolgen nach sich ziehen kann. Ehemalige Patientinnen und Patienten leiden oft jahrelang unter solchen Einschränkungen. Die gezielte und strukturierte Nachbetreuung nach dem Aufenthalt auf der Intensivstation (Follow-up-Angebote) kann einen wesentlichen Beitrag zur Bewältigung der Langzeitfolgen leisten.
Die Autorin beschreibt in ihrer Arbeit eine solche Nachbetreuung. Bei Patientinnen, Patienten und/oder Angehörigen wurden beim Austritt und danach in regelmässigen Abständen Daten zu verschiedenen Aspekten erhoben. Danach wurde die Datenerfassung mittels der ambulanten Sprechstunde erweitert. Erste qualitative Auswertungen zum Zeitpunkt 12 Monate nach Austritt aus der Intensivstation sind durchwegs positiv ausgefallen.
Die Autorin vermutet, dass angesichts der Entwicklungen im Gesundheitswesen in Zukunft neue Formen der Nachbetreuung wichtiger werden - gerade auch bei Patientinnen und Patienten mit chronischen Krankheiten bzw. Einschränkungen - und dass sich auch die Forschung vermehrt damit beschäftigen wird. Eine ambulante Sprechstunde mit einem interprofessionellen Team kann in diesem Kontext als beispielhafte Methode für ein besseres Patientenoutcome gelten.

Beurteilung:
Die Arbeit entspricht den vorgegebenen Kriterien gut. Die Autorin Frau Barbara Treuthardt zeigt deutlich auf, welche Langzeitfolgen der Aufenthalt auf der Intensivstation nach sich ziehen kann. Die entwickelte Sprechstunde kann einen wesentlichen Beitrag zur Bewältigung dieser Langzeitfolgen leisten. Die ambulante Sprechstunde wurde sehr praxisnah, patienten- und angehörigenorientiert entwickelt. Ganz besonders fällt auf, dass diese Sprechstunde mit Patientinnen, Patienten und Angehörigen gemeinsam durchgeführt wird - dieser Ansatz ist neu und weiterhin entwicklungsfähig. Obwohl noch wenig Evaluationsergebnisse vorliegen und nicht alle Ausführungen in die Tiefe gehen, stellt die Arbeit einen wertvollen Beitrag zur Weiterentwicklung der Pflege dar.



3. Preis


Mit dem dritten Preis wurden Frau Sandra Peter, MScN, Pflegeexpertin und Frau Sabine Bigler, MScN, Advanced Practice Nurse Delir und Pflegeexpertin von der Lindenhofgruppe Bern, für die Arbeit

"1:1-Betreuung von kognitiv beeinträchtigten Menschen durch Sitzwachen im Akutspital"

ausgezeichnet.

ABSTRACT

Die Autorinnen beschreiben Verbesserungsmöglichkeiten in der Zusammenarbeit zwischen Sitzwachen und Pflegefachpersonen und wie diese in der Lindenhofgruppe umgesetzt werden. Die Grundlage für die Verbesserungen bildete eine als Masterthesis durchgeführte qualitative Studie, die aufzeigte, dass auch die Pflegefachpersonen im Umgang mit kognitiv beeinträchtigten Menschen Bedarf an Schulungen und Begleitung haben. Handlungsbedarf zeigte sich weiter für folgende Themen: Klärung des Zuständigkeitsbereichs der Sitzwachen, strukturierte Übergaberapporte sowie zielgerichtete Anleitungen der Sitzwachen. Ausgehend davon erarbeiteten und implementierten die Autorinnen für die Lindenhofgruppe eine Arbeitsanweisung, die die Zusammenarbeit zwischen Pflegefachpersonen und Sitzwachen regelt, sowie eine Checkliste zum Übergaberapport. Zudem schult und begleitet eine Pflegeexpertin APN Delir die Pflegefachpersonen regelmässig. Diese Massnahmen stärken sowohl die Kompetenzen der Pflegefach-personen wie auch der Sitzwachen und tragen so positiv zur Versorgungsqualität der Patientinnen und Patienten bei.

LAUDATIO

Wirkung:
Die Autorinnen vermuten, dass die 1:1 - Betreuung von kognitiv beeinträchtigten Menschen durch Sitzwachen Verbesserungspotential hat. In einer qualitativen Studie haben sie erhoben, welche Faktoren aus Sicht von Sitzwachen und aus Sicht von Pflegefachpersonen die 1:1 - Betreuung beeinflussen.
Die Resultate zeigen, dass die 1:1 - Betreuung von kognitiv beeinträchtigten Menschen durch Sitzwachen sowohl durch die Kombination von kognitiver Beeinträchtigung und Selbst- oder Fremdgefährdung seitens der Betreuten als auch durch die Zusammenarbeit zwischen Sitzwachen und Pflegefachpersonen beeinflusst wird. Zudem beeinflussen sich auch die Erfahrung der Sitzwachen und das Problem der Bevormundung der Betreuten gegenseitig.
Als Verbesserungsvorschlag wird die weitere Verstärkung der Zusammenarbeit zwischen Sitzwachen und Pflegefachpersonen beschrieben. Das bedarf der Schulung und Begleitung der Pflegefachpersonen im Umgang mit kognitiv beeinträchtigten Menschen und auch der Klärung des Zuständigkeitsbereichs der Sitzwachen. Die Sitzwachen sollen zielgerichtet angeleitet und es sollen strukturierte Übergaberapporte durchgeführt werden. Die Instrumente für diese Weiterentwicklung wurden im Anschluss an die qualitative Studie erarbeitet und implementiert.

Beurteilung:
Die Arbeit von Frau Sandra Peter und Frau Sabine Bigler entspricht den Kriterien gut. Sie zeigt differenziert auf, wie die 1:1 - Betreuung von kognitiv beeinträchtigten Menschen durch Sitzwachen im Akutspital gezielt verbessert werden kann und besticht durch die Praxisorientierung und durch den direkten Patientenkontakt. Sie widerspiegelt den Praxisalltag im Akutspital und gibt wertvolle Impulse auch für andere Institutionen.
Trotz nicht beschriebener Resultate nach der Implementierung der Arbeitsanweisung bzw. der durchgeführten Schulungen leistet die Arbeit einen sinnvollen Beitrag zur Weiterentwicklung der Krankenpflege.